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Alle jahre wieder, Gedanken zur Nonnenflucht in der Osternacht 1523
Luthers "Herr Käthe" - eine Powerfrau
Wenn man die damalige Wendezeit in Rechnung stellt und kritisch überdenkt,
dürfte es für die neun beherzten Nonnen des Zisterzienserinnenklosters
Marienthron in der Grimmaer Muldenaue kaum schwieriger gewesen sein, aus
ihrer Klausur herauszukommen, als in der ihnen nahezu unbekannten Freiheit
außerhalb der Klostermauern Fuß zu fassen und eine bürgerliche
Existenz zu finden. Inwieweit sie sich selbst dieses Risikos bewußt
waren, sei dahingestellt. Luther, der ihre Flucht mit Hilfe seines „seligen
Räubers" Leonhard Koppe maßgeblich unterstützte, kannte
es jedenfalls.
Am 8. April 1523 schrieb Luther an seinen aus Colditz stammenden
Mitstreiter Wenceslaus Linck: „Ich habe gestern neun Nonnen bei mir aufgenommen,
die ihrer Gefangenschaft entlaufen sind." Am 10. April bittet er den befreundeten
kurfürstlichen Sekretär G. Spalatin um materielle Hilfe für
das „beklagenswerte Häuflein" der Entlaufenen.
Deren Resozialisierung erfolgte unterschiedlich.
Sechs von ihnen hatten Angehörige im reformationsfreundlichen Kursachsen:
Magdalena von Staupitz heiratete in Grimma und leitete hier die erste Mädchenschule.
Elsa von Canitz kam bei begüterten Verwandten auf Thallwitz und zu
Eicha unter und war später Lehrerin in Wittenberg. Veronika und Margarete
von Zeschau fanden wohl Aufnahme auf dem väterlichen Gut Obernitzschka.
Ave Gosse hatte adlige Verwandte in Trebsen und heiratete später nach
Schweinitz. Lonata von Golis wurde Pfarrfrau in Colditz, danach in Leisnig.
- Die drei Nonnen aus dem Machtbereich des reformationsfremdlichen Herzogs
Ernst hatten es ungleich schwerer: Ave und Margarete von Schönfeld
konnten deshalb nicht zu ihren Eltern und Geschwistern zurückkehren;
sie genossen bis zu ihrer Heirat die Gastfreundschaft Lucas Cranachs in
Wittenberg. Katharina von Bora hatte von ihrer Stiefmutter und verarmten
Brüdern in Zühlsdorf keinerlei Unterstützung zu erwarten.
In Wittenberg fand sie an die zwei Jahre Unterkommen im Hause des Stadtschreibers
Reichenbach. Am 13. Juni 1525 schloß sie die Ehe mit Dr. Martin Luther.
Es ist weniger bekannt, daß Luthers, trotz längst grassierender
Gerüchte höchst überraschende Heirat keinesfalls ungeteilten
Beifall fand. Seine Feinde diffamierten ihn und besonders die „schamlose"
entsprungene Nonne" mit Schmähungen und niederträchtigen
Unterstellungen. Die Anhänger des Reformators missbilligten hauptsächlich
den Zeitpunkt seines spontanen Entschlusses: Der Bauernkrieg und seine
von Luther gebilligte brutale Unterdrückung durch die
Fürsten verbreiteten im ganzen Land Angst, Schrecken und Empörung.
Selbst Freund Melanchthon entsetzte sich: „In dieser unseligen Zeit, da
Deutschland seine Kraft so nötig hat, schädigt er sein Ansehen
durch diese unglückliche Tat." Luther war nicht der Mann, der sich
von einem einmal eingeschlagenen Weg abbringen ließ, und Katharina
stand ihm, wie sich's zeigte, darin absolut nicht nach. Zunächst hatte
Luther eher an eine Ehe mit Ave von Schönfeld gedacht und Katharina
zweimal mit anderen Männern verheiraten wollen. „Meine Käthe",
gestand er später, „hatte ich dazumal nicht lieb, denn ich hielt sie
für verdächtig, als wäre sie stolz und hoffärtig."
Daß er sich schließlich . „ihrer erbarmte", gereichte dem bedeutenden,
aber auch schwierigen Manne selbst ausgesprochen zum Segen.
Die sechsundzwanzig - jährige Katharina, die den größten
Teil ihres bisherigen Lebens in der abgeschiedenen Klausur verbracht hatte,
entwickelte sich zu einer ungewöhnlich tüchtigen Hausfrau und
Wirtschafterin. Sie besaß, was Luther abging: Gespür und Geschick
für die Ordnung der profanen Dinge des Lebens, Sparsamkeit und Erwerbssinn.
Sie gebar sechs Kinder, zwei starben frühzeitig.
Den Zeitbedingungen entsprechend war der lutherische Haushalt ein
umfängliches arbeitsintensives Selbstversorgungsunternehmen.
Die couragierte „helle Sächsin" hatte das Ganze fest im Griff - und
gewiß auch ihren fürsorglich geliebten berühmten Gatten,
der sie scherzhaft - aber nicht unbegründet! - seine „Domina", seinen
liebsten und gestrengen „Herrn Käthe" nannte.
„Das bei seiner Heirat als skandalös belästerte Paar,
Mönch Martinas und die entlaufene Klosterfrau Katharina, widerlegten
ihr Leben lang die bösen Prophezeiungen, die man ihrem Ehe- und Familienstand
nachgeworfen hatte. " (Hausbuch, Gondrom Verlag 1996) -dt-