Salzstraßen waren die ersten festen Verkehrswege im Muldenland
VON ADOLF BÖHM
Im gesamten Gebiet des ehemaligen Kursachsen, dem heutigen Freistaat Sachsen, in südlichen Teilen Brandenburgs und Sachsen-Anhalts wie in Teilen Thüringens treffen wir häufig auf den Begriff Salzstraße. Welche historischen Gründe gibt es dafür?
Der Salzhandel
Der frühmittelalterliche Handelsverkehr bestand hauptsächlich
in Form eines Wanderhandels, bei dem die Händler Kaufund Verkauf und
den Transport ihrer Waren selbst übernahmen. Meist waren es friesische,
niedersächsische und jüdische Kaufleute, die in geringem Umfang
das Erbe des römischen Handels angetreten hatten. Der Salzhandel,
der bereits im 8. Jh. in unserem Heimatgebiet nachgewiesen werden kann,
stellte für die damalige Zeit einen Massenguthandel dar. Er stand
damit am Beginn des Straßenverkehrs.
Salz wurde nicht nur zum Wurzen der Speisen verwendet, sondern hauptsächlich
als Konservierungsmittel. Der Mensch mußte seine Vorräte an
Fleisch und Fisch „einpökeln", d.h. in eine Salzlauge einlegen, um
sie vor dem Verderben zu schützen. Dazu wurden wesentlich größere
Salzmengen benötigt als heute im Umlauf sind.
Nun ist Salz, geologisch bedingt, nicht überall verfügbar.
Dieses Mineral mußte daher von den Salzgewinnungsstätten bereits
seit früh-geschichtlicher Zeit in die salzlosen Gebiete transportiert
werden. Meister auf diesem Gebiet waren in Europa zuerst die Kelten, die
als erste die damals bekannten Salzgewinnungsstätten ausbeuteten und
mit einem schwunghaften Salzhandel reich wurden. Ein Zentrum der Salzgewinnung
in unserer Region war das Saaletal bei Halle. Diese Stadt verdankt bekanntlich
ihre Entstehung dem Salz. Hier trat das begehrte Mineral in flüssiger
Form als Sole aus dem Gebirge. Schnell hatte man etwas nachgeholfen und
mehrere Solequellen erschlossen. Die Sole wurde in Pfannen über Holzfeuern
erhitzt. Dabei verdampfte das Wasser, und das Salz lag in kristalliner
Form vor.
Der Salztransport
Halle belieferte hauptsächlich den obersächsischen Raum,
die Lausitz, Böhmen und Schlesien. Es entstanden daher von Halle aus
bald feste Verkehrswege in diese Regionen, die von Salzhändlern regelmäßig
benutzt wurden. Das gewonnenen Salz wurde in Körbe aus Weidenruten
verfrachet und auf den Rücken von Eseln und Pferden transportiert.
Zu einem Salzhandelszug gehörten 10 bis 20 Tragtiere, die von Knechten
beaufsichtigt wurden. An der Spitze des Zuges ritt der Salzhändler,
dem noch bewaffnete Männer zur Verfügung standen. Später
wurden hauptsächlich zwei-
rädrige Karren für den Salztransport verwendet. Daher stammt
der damals geläufige Begriff Salzkärrner.
Auf dem Rückweg nach Halle mußten die Salzhändler Scheitholz
mitbringen, denn der Brennholzbedarf der Sudpfannen war groß und
das Saaletal in der Umgebung von Halle bald abgeholzt. Ein Tragtier konnte
zwei Körbe mit je etwa 50 kg Salz transportieren. Die Salzkarren waren
schon mit 200 bis 300 kg beladen. Die Reisegeschwindigkeit betrug dabei
etwa 20 bis 30 km pro Tag. Die Salzhändler benötigten von Halle
bis an die Mulde etwa zwei Tage. Rast- und Übernachtungsplätze
wurden in der Regel vor der Passage von Hindernissen, das waren Flüsse
und größere zusammenhängende Wälder, gesucht. Hier
war das die Mulde, an deren Ufer sich befestigte Rastplätze herausbildeten.
Dort wurde auch das Salz zum Verkauf angeboten. Damit konnte der Salzbedarf
der ortsansässigen Bevölkerung gedeckt werden. Das nutzten die
feudalen Grundherren, aber auch die Städte zur Einnahme von Wegezoll.
Es kann daher angenommen werden, daß Püchau dem Salzhandel seine
Entstehung verdankt.
Die Salzstraßen
Während der Wanderhandel nicht an feste Wege gebunden war, erforderte
der Salzhandel von Halle aus sichere und feste Landverbindungen, die möglichst
ganzjährig benutzbar waren. Derartige Wege mußten hauptsächlich
drei Kriterien entsprechen. Sie mußten möglichst immer trocken
passierbar sein, denn Sumpfgebiete verzögerten die Reisegeschwindigkeit.
Außerdem bargen sie allerhand Gefahren. Weiterhin mußten die
Wege einigermaßen sicher vor räuberischen Überfällen
sein. Das war am besten gewährleistet, wenn nach allen Seiten ein
freier Blick zur Verfügung stand, um die Feinde rechtzeitig zu erkennen.
Daher benutzte man möglichst Erhebungen in der Landschaft. Schließlich
mußten die gewählten Wege nach Möglichkeit waldfrei sein,
denn Wald behinderte den Verkehrsfluß. Im frühen Mittelalter
verlief im westlichen Teil des Muldengebietes die nördliche Waldgrenze
etwa auf einer Linie Leipzig-Taucha-Püchau. Nordwestlich davon war
eine steppenartige Freilandschaft. Die Salzhändler hatten daher wenig
Mühe, das westliche Ufer der Mulde zu erreichen.
Eine der wichtigen Salzstraßen führte von Halle über
Schladitz nach Liemehna. Hier gabelten sich die Wege. Während der
nördliche bei Eilenburg die Mulde passierte, um bei Torgau bzw. bei
Beigem die Elbe zu erreichen, führte der südliche Weg nach Püchau.
Eine weiterer Straßenzug führte über Taucha nach Brandis
- später als Töpferstraße benannt - und dann über
Polenz und Altenhain zum Muldenübergang bei Trebsen.
Der Muldenübergang Püchau-Wurzen
Der wohl älteste Muldenübergang in jener Zeit war vermutlich
der zwischen Püchau und Wurzen. Hier, wo die Mulde aus dem Tal in
die Ebene hinaustritt, war sie am leichtesten zu passieren. Püchau,
das bereits 924 urkundlich erwähnt wird, ist daher nicht von ungefähr
der älteste bezeugte Ort in Sachsen. Zwischen Püchau und Wurzen
gab es zwei Passagen, die es dank der Verzweigungen der Mulde in mehrere
Flußarme erlaubten, fast ganzjährig zu passieren. Die kürzere
war die Verbindung zwischen Püchau und Canitz/ Nischwitz. Zwei Hohlwege
führten vom Terrassenrand in Püchau hinab in die Flußaue.
Der eine, wohl ältere, befindet sich nördlich der Ortslage, wo
die Salzstraße von Gotha her (Sachsenmühle) das Steilufer erreicht.
Der etwas jüngere spurt zwischen der Burg (heute Schloß) und
Kirche in das Unterdorf. Dieser wurde sicherlich zur besseren Kontrolle
des Verkehrs von den Burgvögten angelegt. Östlich der Mulde ging
es dann entlang der Steiluferkante im Zuge der Alten Nischwitzer Straße
nach Wurzen. Ein älterer Abzweig, der Wurzen nördlich umging,
ist der Rasenweg von Nischwitz entlang des Breiten Berges nach Körlitz.
Daraus kann geschlossen werden, daß die Burg Püchau wohl älter
als die in Wurzen ist.
Später benutzte man vermutlich eine neue Trasse, die von Püchau
über Nepperwitz nach Grubnitz ging, dort in östlicher Richtung
über den Trauschkenwerder, der hochwasserfrei war, nach Wurzen. Am
heutigen Gerhardt-Hauptmann-Platz ist wohl das älteste Verkehrszentrum
Wurzens zu suchen. Die Hohe Salzstraße führte nun durch die
Altstadt, Jacobsplatz, Martin-Luther-Straße zur sogenannten Hohle
in Richtung Körlitz und von dort über Dornreichenbach und Dahlen
zum Elbeübergang Strehla. Am Gerhardt-Hauptmann-Platz
zweigte die Böhmische Salzstraße ab, die über die Wenceslaigasse,
Bahnhofstraße
nach Süden in Richtung Neichen und dann weiter über die Deditzhöhe
nach Pöhsig, Dürrweitzschen und Böhlen nach Leisnig führte.
Die Fuhrleute orientierten sich dabei auch an natürlichen Wegmarken,
wie dem Oschatzer-Collm und den Hohburger Bergen, die weithin sichtbar
waren.
Ab dem 14. Jh. bildete sich ein völlig neues Straßennetz
heraus. Im mittleren Muldengebietwaren es die Flußübergänge
in Eilenburg, Wurzen, Grimma und Colditz, die den Verkehr an sich zogen.
Die alten natürlichen Straßenzüge der Salzstraßen
verloren an Bedeutung und sind heute nur noch als Relikte erkennbar.
Schematische Darstellung der Salzstraßen zwischen Halle und Elbe
Rundblick 1996 Seite 129 - 131 (Auszug)